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«Gell Armin, wir müssen ja nicht mehr, wir dürfen......»
Diese weisen Worte hat mir eine liebe Bekannte in der Box beim Start zum 50. Engadin
Skimarathon mit auf den Weg gegeben. Ich weiss, wir sind mittlerweile im Sommer an-
gekommen, die Lust auf Schnee hat der Lust auf Abkühlung im See und Aktivitäten in
sommerlicher Kleidung bei warmen Temperaturen Platz gemacht und mein Beitrag
passt eigentlich nicht mehr in die Jahreszeit. BERICHT ARMINIO
Samstag 11. März, die Wetterprognosen sind schlichtweg katastrophal für den Sonn-
tag. Viel zu warm und Regen ist angesagt. Die Wachswahl lässt viele Möglichkeiten of-
fen. Silvia informiert sich nochmals am Nachmittag zuvor und wir wachsen kurzfristig
um, d.h.; mühsam aufgezogenen Wachs abziehen, neu auftragen, abziehen, ausbür-
sten und, und... Wenigsten kann mit dieser Arbeit die Nervosität etwas in den Hinter-
grund gedrängt werden. Abends treffen wir uns mit Bekannten zum schon zur Tradi-
tion gewordenen Spaghettiessen, ich verzichte auf das geliebte Glas Rotwein, Wach-
stipps werden nochmals ausgetauscht, kurz gesagt, es dreht sich alles um den morgi-
gen Marathon. Verabschiedung, frühe Bettruhe ist angesagt obwohl an einen ruhigen
Schlaf nicht zu denken ist.
Sonntag 12. März, in der Früh holt mich der Wecker, schweissgebadet, aus dem unru-
higen Schlaf. Das Brot beim Frühstücken will nicht so recht den Schluckbewegungen
folgen. Wir wollen, bevor die grosse Masse am Bahnhof St. Moritz ankommt, in einem
der zahlreichen Busse zum Start nach Maloja einen Sitzplatz ergattern. Der Himmel ist
bedeckt, vom Niederschlag bleiben wir noch verschont. Ungefähr 90 Minuten vor dem
Start der zugeteilten Kategorie treffen wir In Maloja im Startgelände ein und mischen
uns unter tausende von Längläufer welche die letzten Vorbereitung treffen. Alles ist
perfekt organisiert. WK Soldaten auf Lastwagen, mit den Farben der entsprechenden
Startnummern signalisiert, nehmen das Gepäck entgegen welches zum Ziel transpor-
tiert wird. Die Szenerie der unzähligen Langläufer mit vor sich her tragenden Skiern
mutet speziell an. Schlachtbilder der alten Eidgenossen bewaffnet mit Lanzen tauchen
vor meinem geistigen Auge auf. Mit dem Gepäck haben wir auch die wärmende Jacke
abgegeben. Das grosse Warten in leichter Wettkampf Bekleidung beginnt nun. In der
Zwischenzeit hat der vorausgesagte Regen eingesetzt. Die Nervosität schlägt auf Blase
und Darm, was vor allem für die Frauen langes Anstehen vor einem der vielen Toi-Toi
Häuschen bedeutet. Zum Aufwärmen ist neuerdings ein grosses Zelt im Startgelände
aufgestellt. Endlich wird der Start für die Eliteläufer frei gegeben. Zusammen mit den
Trägern der grünen Startnummern begebe ich mich, dem Herdentrieb folgend umge-
ben von vor Kälte und Nässe schlotternden Leidensgenossen, in die zugewiesene um-
gitterte Startbox. Da stottert meine liebe Bekannte mit klapprigen Zähnen eben jenen
Spruch: «Gell Armin, mer müend jo nüme, mer dörfet.»
In Begleitung von motivierender Musik und mit Jubelgeschrei begeben wir uns, einer
Horde Kühen gleich, nach dem Öffnen des Gatters zum Start und schnallen mit klam-
men Fingern die Skier an die Schuhe. Los gehts, der Chip unter meiner Startnummer be-
ginnt beim Durchlauf des Starttors mit der Zeitmessung. Links und rechts das kratzende
Geräusch der Skier. Ich überhole konzentriert nach Lücken suchend und werde von teil-
mitenand 18