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weise übermotivierten Kampfgenossen überholt. Solche die das Gleichgewicht verlo-
ren haben stemmen sich mittels den dünnen Stöcken wieder hoch. Da haben doch
schon einige ihren Ballast abgeworfen. Handschuhe, Bidons zerbrochene Stöcke liegen
am Boden, Bilder die sich auf der restlichen Strecke wiederholen. Auf dem Weg über
den Silsersee säumen viel Zuschauer die Strecke. Da, vor mit läuft doch meine Bekannte.
Ausser Atem schliesse ich zu ihr auf, den Spruch im Ohr: «Gell Armin, mer müend jo
nüme, mer dörfet»! Die 5 Kilometer Marke ist passiert, nur noch 37 bis zum Ziel. Beim
legendären Aufstieg zur Schanze dann der erste grosse Stau was auch Erholung be-
deutet. Übereifrige zwängen sich störend zwischen die Kolonnen, touchieren, stürzen
und werden prompt ausgebuht. Im Grossen und Ganzen verläuft alles diszipliniert, in
kameradschaftlicher Atmosphäre. Oben passiere ich kurzatmig den Lej Marsch wo wir
im Sommer, (findet auch im Engadin statt), in der Sonne liegend faulenzen und «bä-
delen». «Gell Armin, mer müend jo nüme, mer.....». Nach anstrengenden Aufstiegen
durch den Stazerwald nähere ich mich mit Respekt der berüchtigten Abfahrt. Bilder von
einer meiner ersten Teilnahmen und folgender peinlichen Begebenheit gehen mir
durch den Kopf: «Weil da ein wildes Durcheinader war hielt ich an und getraute mich
nicht mehr weiter. Dann wurde ich von hinten freundlich aufgefordert: «Fahr emol, du
huere Tubel». Zaghaft fuhr ich im Stemmbogen prompt in eine der Maden und stürzte,
konnte nicht mehr aufstehen, löste die Bindung eines Skis welcher mir entglitt und von
einem der vielen belustigten Zuschauer gestoppt wurde.»
Zurück in der Gegenwart. Die Situation ist nicht vergleichbar, meine Technik ungleich
besser. Trotzdem stemme ich, wie ein Hosenscheisser, die Abfahrt hinunter. Just an je-
ner Stelle höre ich verschwommen die Stimme des Speakers «Hopp Armin rufen» was
mich veranlasst in die Abfahrtsposition zu gehen und mir fast zum Verhängnis wird,
kann ich mich doch gerade noch vor einem fatalen Sturz retten. Pontresina und die
Hälfte der Strecke ist erreicht. Hier könnte ich aufhören und würde für den Halbmara-
thon rangiert. Ehrgeizig laufe ich weiter, schlürfe mit zittrigen Händen aus einem Be-
cher an der Verpflegungsstelle ein Powergetränk. In diesem Moment holt mich meine
Bekannte («Gell Armin, mer müend jo nüme, mer dörfet») ein. Die Strecke führt der
Flaz entlang und von hier sehe ich zu meiner Wohnung hoch, wo ich auf dem Sofa lie-
gend meine schweren Beine hoch lagern könnte. Ich verscheuche die Gedanken und
hoffe, dass mir für den zweiten Teil der Strecke meine 1000 Trainingskilometer zugute
kommen, zumal sich die Wetterbedingungen gebessert haben und ich hier mein Heim-
terrain «beackere». Richtig hart wird es dann noch nach Zuoz auf den letzen 5 Kilo-
metern über die sogenannten Golanhöhen. Immer wieder motiviere ich mich mit Blick
auf meine neuen Langlaufschuhe welche aus dem gleichen Hause wie jene von Dario
Cologna stammen. Auf dem Zieleinlauf, mittlerweile im durch tausende Teilnehmer
aufgeweichten Schnee, skate ich wie ein Boxer kurz vor dem k.o.
durch das Tor. Bevor ich mich mühsam wieder
aufrichte wird mir von Schulkindern schon
die Medaille umgehängt. Und-da sehe ich
sie wieder, meine Bekannte: «Gell Armin,
mer müend jo nüme, mer dörfet»! Übri-
gens meine 10. Teilnahme und zugleich
stolze persönliche Bestzeit. Trotz Strapa-
zen, nach spätestens einem Monat, packt
mich schon wieder das Marathonfieber.
Und nicht vergessen: «Wir müssen ja
nicht mehr, wir dürfen»!
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